Kathrin Rauch – In meina Stroß’n

EN AVENT LA MUSIQUE

In meina Stroß’n / In meiner Straße / Dans ma rue 

„Waldviertel“ Dialekt, Hochdeutsch, français

In meina Stroß’n, do greun so G’stoit’n umanaund mit z’fledade Hoa und z’lumpatn G’waund,de saufan und hoid’n da hi de Haundbettln di au, ois kennatn’s ka Schaund. 
In meiner Straße kriechen so Gestalten herum, mit zerfledderten Haaren und zerlumpten Gewändern, die saufen und dir die Hand hinhalten, dich anbetteln, als würden sie keine Schande kennen. 
Dans ma rue, il y a des gens qui traînent, les cheveux dépeignés et les habits déchirés, qui boivent et vous tendent la main, mendiant comme s’ils ne connaissaient pas la honte. 

I siach’s nur vo da Weit’nund i soi’s besser meid’nhot mi d’Mama friacha g’warntund so ian Abscheu voa de G’stoit’n ois Sorge getarnt.I hock ban Fensta und schau de G’stoit’n ban koit wean zua. Boi de Nocht mi ausspuckt leg i mi zua Ruahund tram vo dem Leben in Popp’ndeck’l vapockt,wo ma Morgen und Hoffnung in Asphalt eigrobt,wo da de Taub’n de Freid aus da Haund fress’nund Passanten ea Misere aun deiner mess’n,damit’s eana Weh ned so g’spian miass’n. 
Ich sehe sie nur aus der Ferneund ich soll sie besser meiden,hat mich meine Mutter früher gewarnt,und so ihre Abscheu vor den Gestalten als Sorge getarnt.Ich sitze am Fenster und sehe den Gestalten beim kalt werden zu. Sobald mich die Nacht ausspuckt, lege ich mich zur Ruhe und träume von diesem Leben – in Karton verpackt –, wo man Morgen und Hoffnung in den Asphalt eingräbt, wo dir die Tauben die Freude aus der Hand fressen und Passanten ihre Misere an deiner messen, damit sie ihr eigenes Leid nicht so spüren müssen. 
Je ne les vois que de loin et je devrais mieux les éviter, m’avait averti ma mère autrefois, déguisant ainsi son dégoût pour ces créatures en inquiétude. Je suis assise à la fenêtre et je regarde les créatures se refroidir. Dès que la nuit me crache, je me couche et je rêve de cette vie – enveloppée dans du carton – où le demain et l’espoir sont enterrés dans l’asphalte, où les pigeons mangent la joie de ta main et où les passants mesurent leur misère à la tienne, afin de ne pas avoir à ressentir leur propre douleur. 

In meina Stroß’n, do greun so G’stoit’n umanaund mit z’fledade Hoa und z’lumpatn G’waund,de saufan und hoid’n da hi de Haundbettln di au, ois kennatn’s ka Schaund. 
In meiner Straße kriechen so Gestalten herum,mit zerfledderten Haaren und zerlumpten Gewändern, die saufen und dir die Hand hinhalten,dich anbetteln, als würden sie keine Schande kennen. 
Dans ma rue, il y a des gens qui traînent, les cheveux dépeignés et les habits déchirés, qui boivent et vous tendent la main, mendiant comme s’ils ne connaissaient pas la honte. 

I gib’s jo zua, mia haum friacha a auf mehr Göd g’hofft, auwa wia d’Mama nu woa haumas imma nu g’schofft, wos zan Ess’n am Tisch z’griangund waun’s nua a Suppn woa. Do des is laung her und die Suppn laung goaund waun heit in lieben Herrn Vater da Hunger plogt und koana eam wos zan Ess’n auftrogt,stöt a si hoit mit G’woit wos zan Ess’n am Tisch.Is eh ois fia d’Fisch,denk i ma daun,und loss ma resigniert de Gosch’n bluadig haun. 
Ich gebe es ja zu, wir haben früher auch auf mehr Geld gehofft, aber als Mutter noch da war, haben wir’s immer noch geschafft, etwas zu Essen auf den Tisch zu bekommen, und wenn’s nur Suppe war. Doch das ist lange her und die Suppe lange alleund wenn heute den lieben Herrn Vater der Hunger plagt und niemand ihm etwas zu Essen aufträgt,stellt er sich eben mit Gewalt etwas zu Essen auf den Tisch. Ist ohnehin alles für die Fische, denke ich mir dann, und lasse mir resigniert das Maul blutig schlagen. 
Je l’admets, autrefois, nous espérions aussi avoir plus d’argent, mais quand maman était encore là, nous arrivions toujours à mettre de la bouffe sur la table, même si ce n’était que de la soupe. Mais c’était il y a longtemps et il n’y a plus de soupe, et depuis, quand le cher père a faimet que personne ne lui donne à manger,il se sert de son poing pour remplir son assiette. De toute façon, c’est foutu, je me dis, et, résignée, je supporte les coups dans mon visage. 

In meina Stroß’n, do greun so G’stoit’n umanaund mit z’fledade Hoa und z’lumpatn G’waund,de saufan und hoid’n da hi de Haundbettln di au, ois kennatn’s ka Schaund. 
In meiner Straße kriechen so Gestalten herum,mit zerfledderten Haaren und zerlumpten Gewändern, die saufen und dir die Hand hinhalten,dich anbetteln, als würden sie keine Schande kennen. 
Dans ma rue, il y a des gens qui traînent, les cheveux dépeignés et les habits déchirés, qui boivent et vous tendent la main, mendiant comme s’ils ne connaissaient pas la honte. 

I, ois Ödeste vo de G’schwistahätt’s eigentlich bessa wissen miass’n,auwa i hob g’schiss’n aufs schlechte G’wiss’n und bi o’g’haut vo dem Drecksloch,weit weg va dem G’ruchnoch Bluat und blaue Fleck’n.Mei Vota wü ma nu a letzte beck’n:„Hau di iwa d’Heisa, du dreckade Dirn,nix ois Bledsinn und Mistbrod im Hirn.Stö di do am Strich mit deina fesch’n Visage, wiad di schau wea nehma va da gödig’n Bagage.“ I setz in Fuas voa de Tiaund hob im Ruck’n es G’spiawia ma d’G’schwista nochschaunund in de Aug’nsteht uns kniadiaf es Wossa. 
Ich, als Älteste unter den Geschwistern, hätte es eigentlich besser wissen müssen, aber ich hab’ auf das schlechte Gewissen geschissen und bin aus dem Drecksloch abgehauen, weit weg vom Geruch nach Blut und blauen Flecken. Mein Vater wollte mir noch eine Letzte verpassen:„Scher dich zum Teufel, du dreckige Dirne! Nichts als Blödsinn und Mist im Hirn!Stell dich doch auf den Strich mit einer hübschen Visage,wird dich schon jemand nehmen, von der reichen Gesellschaft.“ Ich setze einen Fuß vor die Türund spüre im Rücken,wie mir die Geschwister nachschauenund in den Augensteht uns kniehoch das Wasser. 
Moi, l’aînée, j’aurais dû le savoir, mais je n’avais rien à foutre de ma mauvaise conscience et je me suis enfuie de ce trou à rats, loin de l’odeur du sang et des bleus.Mon père me crie derrière : « Dégage d’ici, sale pute ! Rien que des conneries et de la merde dans la tête ! Vas-y, fais le tapin avec ton joli visage, un bourge va bien vouloir te prendre. » Je mets un pied devant la porte et je sens dans le dos mes frères et sœurs qui me regardent et l’eau dans nos yeux nous arrive jusqu’aux genoux. 

In meina Stroß’n, do greun so G’stoit’n umanaund mit z’fledade Hoa und z’lumpatn G’waund,de saufan und hoid’n da hi de Haundbettln di au, ois kennatn’s ka Schaund. 
In meiner Straße kriechen so Gestalten herum,mit zerfledderten Haaren und zerlumpten Gewändern, die saufen und dir die Hand hinhalten,dich anbetteln, als würden sie keine Schande kennen. 
Dans ma rue, il y a des gens qui traînent, les cheveux dépeignés et les habits déchirés, qui boivent et vous tendent la main, mendiant comme s’ils ne connaissaient pas la honte. 

Seit Woch’n und Woch’ngreut ma d’Köd’n in die Knoch’n,greut ma da Hunga in Moak und Boa,weu Freia find i koa.Auwa freia wia heit woa i nia.Ois wos i doa muas, is schau’n, dass i ned dafria so wia dea oane Sandla vorm Kiachatial,mit dem i gestern nu im BaunhofsvialSchnops g’soffa hob, weu a mi ei’g’lond g’hobt hot, der oide Trottl. Neb’n mir reißt die Latern a Loch in die Nocht und schmeißt an Schott’n auf de Schlocht, de i gegen die Finstan valiabis i mondscheini weaund de Sunn aufgeh’ heaund mi de Nocht wieder ausspuckt ins Morgengrauen. Waun ma die Köd’n die Brust ei’druckt und i weida in Janka eineruck, daun denk i zruck: aun den rod’n, woamen Haundobdruck und mia wiad z’glei gluathoas und eiskoit.
Seit Wochen und Wochen kriecht mir die Kälte in die Knochen, kriecht mir der Hunger in Mark und Bein, denn ich finde keine Freier.Aber freier als heute, war ich nie. Alles, was ich tun muss, ist aufpassen, dass ich nicht erfriere, wie der eine Penner vor der Kirchentür,mit dem ich gestern noch im BahnhofsviertelSchnaps gesoffen habe,weil er mich eingeladen hat, der alte Trottel.Neben mir reißt die Laterne ein Loch in die Nachtund wirft einen Schatten auf die Schlacht, die ich gegen die Finsternis verliere, bis ich verrückt werdeund die Sonne aufgehen höreund mich die Nacht wieder ausspuckt ins Morgengrauen. Wenn mir die Kälte die Brust eindrückt und ich weiter in meine Jacke hineinrücke, dann denke ich zurück, an den warmen, roten Handabdruck, und mir wird zugleich glutheiß und eiskalt. 
Depuis des semaines et des semaines,le froid pénètre dans mes os,la faim pénètre jusqu’à ma moelle,parce que je ne trouve pas de clients.Pourtant, jamais, je n’ai été aussi libre.Il ne me faut que m’assurer de ne pas mourir de froid comme ce clochard devant la porte de l’église avec qui j’ai bu encore du schnapshier, dans le quartier de la gare,parce qu’il m’avait invitée, ce vieux crétin.À côté de moi, la lanterne perce un trou dans la nuit et jette une ombre sur ma bataille contre l’obscurité que je suis en train de perdre,jusqu’à ce que je devienne folleet que j’entende le soleil se leveret que la nuit me recrachedans l’aube.Quand le froid m’enfonce la poitrineet je me retire dans ma veste,je me rappellel’empreinte chaude et rouge de sa main,et je sens à la fois la chaleur brûlante et le froid glacial. 

Und i greu in meina Stroß’n umanaundmit z’fledade Hoa und z’lumpatn G’waund woat jed’n Tog auf a höfate Haund,de mi aufhebt und ma wegnimmt die Schaund. 
Und ich krieche in meiner Straße herum, mit zerfledderten Haaren und zerlumpten Gewändern, warte jeden Tag auf eine helfende Hand, die mich aufhebt und mir die Schande nimmt. 
Et je traîne dans ma rue, les cheveux dépeignés et les habits déchirés, en attendant chaque jour qu’un coup de main vienne me chercher pour m’ôter ma honte. 


D’après “Dans ma rue” d’Edith Piaf
Texte et vidéo de Kathrin Rauch

Musique de générique “We wish you a merry christmas” de Twin Musicom fait l’objet d’une licence CCA 4.0.

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